Samstag, 12. Juli 2014

Zwischen Glück und Schönheit, Harmonie und Gleichgewicht

Was ist Glück? Ist es ein momentanes Hochgefühl? Ist es ein Lebensziel oder doch eher eine Art, den eigenen Weg zu gehen? Ein Privileg, nur wenigen gewährt? Oder eine Möglichkeit, ein Potential das in jedem steckt, das manche aber aus Unwissenheit ignorieren? Im Englischen gibt es für diesen einen Begriff zwei, weswegen die Definition zumindest für einen von beiden einfacher ausfälllt. Denn, "als Erfüllung menschlichen Wünschens und Strebens ist Glück ein sehr vielschichtiger Begriff, der Empfindungen vom momentanen Glücksgefühl bis zu anhaltender Glückseligkeit einschließt, der uns aber auch als ein äußeres Geschehen begegnen kann, z. B. als glücklicher Zufall oder als eine zu Lebensglück verhelfende Schicksalswende", so Wikipedia. Trennen wir daher gleich zu Anfang das Glück (Luck), also den glücklichen Zufall, vom Glück (Happiness), und beschäftigen uns nunmehr mit letzterem.

 
Gesundheit ist Glück, so sagt der Kranke,
Reichtum ist Glück, sagt der Arme,
Weisheit ist Glück, sagt der Philosoph
und sie haben alle Recht.
Unglück aber ist gewiß, das nicht erreichen zu können, was man Bedarf.
 
Fanny Lewald

Liest man die ersten Verse, scheint es fast so, als sei Glück immer das, was wir gerade nicht haben können, wie Schönheitsideale immer mit schwer erreichbaren Maßen zu tun haben, die mit der Zeit insofern zusammenhängen, dass sie das von einem verlangen, was gerade am fast unmöglich ist - ausgeprägte Fettpolster in Hungerszeiten, Schlankheit in Zeiten des Überflusses; Schönheit soll schließlich ein Privileg bleiben, wäre sie nicht so selten, würden wir es kaum als so besonders empfinden. Was die deutsche Schriftstellerin jedoch tatsächlich ausdrücken will, ist, nehme ich an, dass das Glück mit dem übereinstimmt, was wir gerade brauchen. Bis zu einem bestimmten Punkt bin ich tatsächlich mit ihr einverstanden. Es ist wirklich so, dass der Mensch einige Grundbedürfnisse befriedigt wissen muss, bevor er an Höheres denkt. So muss er genug zu Essen und zu Trinken haben, um das Bedürfnis nach Sicherheit und Liebe zu befriedigen und so weiter, laut Maslowschen Bedürfnishierarchie:
 
 
 
 
Trotzdem glaube ich kaum, dass man dann von Glück sprechen kann, so doch eher von Zufriedenheit, aber es ist doch  so, dass fehlendes Glück mit mangelnder Zufriedenheit zusammenhängt. Mit dem ständigen denken an die Zukunft, statt weilen in der Gegenwart.
Es ist ja allgemein bekannt, das besonders Jugendliche immer mehr wollen, ihnen niemals etwas genug ist. Sie alle Erwartungen in die Zukunft stecken, um später zu erkennen, wie viel sie übersehen haben. Steckt das Glück vielleicht doch in den kleinen Dingen? Und das fehlen ebendiesem in dem Übersehen dieser Dinge? Mag sein. Aber das Gegenteil von Glück ist nicht Unglück, und genausowenig Trauer. Lasst mich dies etwas näher erklären.
An diesem Punkt ist es wichtig, den Unterschied zwischen Freude und Glück zu unterstreichen. Freudig und fröhlich sind wir nach angenehmen Erlebnissen, neuen Bekanntschaften, überraschenden Aufmerksamkeiten. Es ist das Gegenteil zu Trauer, denke ich.
Ward ihr je einmal richtig traurig? Ich meine wirklich. Nur Trauer, pure Trauer, ohne eine Spur von Wut, Verzweiflung... Die "nicht puren" Gefühle sind die, die Schmerzen bereiten. Die Puren nicht, denn sie sind, was sie sind. Wut tut uns nicht gut, Verzweiflung, und so weiter. Sie sind zusammengesetzt aus Trauer, Angst, Groll gegen Andere, lauter negative Gefühle, die uns aus dem Gleichgewicht bringen. Trauer allein hingegen, sie zieht uns zwar zu Boden, aber sie gehört zu uns, und sie schmerzt zwar, verletzt aber nicht. Weder uns noch andere. Und somit bin ich auch schon zum Kern dieses Textes gelangt. Es bringt uns nicht aus dem Gleichgewicht. Glücklich kann man immer sein, selbst wenn man gerade Tränen vergießt, es sein denn, man hat eine gewisse innere Stabilität, innere Ruhe, die uns alles zu überwältigen hilft.
Glück ist Gleichgewicht, wie Schönheit doch auch, entgegengesetzt dem, was wir alle denken, nicht etwas Außerordentliches oder Einzigartiges, eine Besonderheit ist, sondern einfach die Harmonie, die die eigentlichen, sagen wir, natürlichen Maße und Proportionen respektiert, und somit zwar eine Seltenheit, doch eigentlich nur die "Normalität" im weiteren Sinne darstellt. Genauso ist Glück im Grund der Urzustand unseres Geistes, was bedeutet dass wir im Grund nur zu uns zurückfinden müssen, um das zu finden, was wir wahrlich suchen. Somit
 
Gib dich
dem Fluss des Atems
hin
 
er trägt dich
in das Meer
 
des Glücks
 
Hans-Christoph Neuert
 

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